Weiterlesen: Frauenhandel
© ProLitteris, Rahel Zschokke
4.2 Migrationssituation in Westeuropa: Beispiel Schweiz
Der Zugang zu den westeuropäischen Sexmärkten ist eingeschränkt. Neben gesetzlichen Hindernissen bilden insbesondere die konkreten Strukturen der Sexmärkte mit ihren abgesteckten Revieren und speziellen Segmenten wirkungsvolle Schranken. Nur wer sich auskennt und sich geschickt verhält, kann selbständig ins Geschäft einsteigen; etwa durch direkte Bewerbung bei entsprechenden Etablissements oder Agenturen, vor allem aber durch ethnisch begründete Beziehungen. Die Besetzung von Nischen oder der Aufbau eines eigenen Geschäfts setzt Erfahrung im Metier sowie sehr gute lokale Marktkenntnisse voraus. Das heißt, dass Flexibilität, Improvisationskunst und allgemeine Kontextkenntnisse zusammen mit einer minimalen Sprachkompetenz wichtige Selektionsvorteile bieten.
Das westliche Sexgewerbe, insbesondere der relativ nahe liegende westeuropäische Sexmarkt, ist interessiert an „Nachschub“ aus Osteuropa, wobei hohe Profite und ein gewisser „Neuheitsreiz“ locken, während vorher vor allem Lateinamerikanerinnen und Asiatinnen das Feld dominierten. Für den Nachschub sorgte neben legalen Kanälen vor allem der halblegale oder illegale Transfer. Für Westeuropa geht die IOM (International Organisation for Migration) von ca. einer halben Million jährlich in die EU-Länder eingereisten Frauen aus, wobei die postsozialistischen Länder in letzter Zeit zu den Hauptherkunftsgebieten gehören und viele dieser Frauen direkt oder über Umwegen im Sexgewerbe landen. (332) Für die USA geht die CIA 1999 mit 45’000 bis 50’000 von einer deutlich geringeren Zahl aus; dabei stammt auch hier eine zunehmende Zahl aus Osteuropa und den GUS-Ländern (O’Neill, 1999). Die UNO schätzt, dass weltweit jährlich ungefähr vier Millionen Frauen von Formen des Frauenhandels betroffen sind (Caldwell, 1997).
In vielen westeuropäischen Ländern machen osteuropäische Prostituierte einen beträchtlichen Teil der Sexanbieterinnen aus. Vor allem in Grenzländern und in Großstädten ist dieser Trend ausgeprägt. Nach offiziellen Angaben prostituieren sich zum Beispiel in Wien rund 3000 Frauen aus Osteuropa neben nur rund 600 österreichischen Frauen. Auch in Deutschland und Schweden sind viele osteuropäische Frauen im Sexgewerbe tätig (Caldwell, 1997, Foundation of Women’s Forum/Stiftelsen Kvinnoforum, 1998).
Die im westeuropäischen Sexgewerbe tätigen ausländischen Frauen treffen sehr unterschiedliche „‚Arbeitsverhältnisse“ an. Dabei kann es sich etwa bei den Tänzerinnen um vertraglich geregelte Arbeitsbedingungen handeln. Oft genug verlangen die Betreiber aber außervertraglich die illegale Animation und Prostitution von den Angestellten. Prostituierte ohne entsprechende Bewilligung sind meist auf eine Infrastruktur angewiesen, die ihnen wenig Spielraum für die selbstbestimmte Gestaltung ihres Gewerbes bietet und die bis hin zu ausgeprägten Zwangsverhältnissen reicht. Die legale Ausübung der Prostitution in der Schweiz ist an gesetzliche Rahmenbedingungen geknüpft. (333) EU-Bürgerinnen und -Bürger können sich als selbständige Prostituierte in einem Schweizer Kanton anmelden, denn seit Juni 2002 (bzw. 2004) bestehen für diese Personen keinerlei gesetzliche Einschränkungen mehr zur Ausübung ihres Gewerbes, außer den Bestimmungen, die auch für einheimische Prostituierte gelten. Neueste Beobachtungen des europäischen Prostitutionsmarktes weisen denn auch vermehrte Binnenwanderungen von Prostituierten aus EU-Mitgliedstaaten in die Schweiz aus.
Für ausländische Frauen aus Nicht-EU-Ländern gilt diese Freizügigkeit hingegen nicht, und es besteht im Normalfall keine Möglichkeit, legal als Prostituierte Einkommen zu erwerben, da die dazu notwendige Bewilligung einen Aufenthaltsstatus voraussetzt, der mit dieser Tätigkeit nicht begründet werden kann. Unabhängig davon, ob eine Person aus dem Nicht-EU-Ausland mit der Tätigkeit und den Arbeitsbedingungen als Prostituierte einverstanden ist oder nicht, macht sie sich strafbar, wenn sie fremdenpolizeiliche und aufenthaltsrechtliche Auflagen missachtet und muss mit einer formlosen Wegweisung rechnen.
Um Hinweise zu erhalten, inwiefern Migrantinnen aus Nicht-EU-Ländern, die im schweizerischen Sexmilieu anzutreffen sind, diese Tätigkeit aus freien Stücken gewählt haben oder inwiefern sie zu den Opfern von Formen des Frauenhandels zu zählen sind, rekonstruieren wir den konkreten Ablauf der Migration in die Schweiz. Informationen über aktuelle Kontrolltätigkeiten und die gesetzlichen Auflagen entnehmen wir den Gesetzesvorlagen, Expertengesprächen (334) und Unterlagen verschiedener Bundesämter zu dieser Problematik. Wir stützen uns auch auf die Ergebnisse der Polizeiprotokoll- und Gerichtsaktenanalyse.
4.2.1 Die Auflagen der Schweiz
Die Schweiz kennt weder eine Migrations- noch eine Integrationspolitik im engeren Sinne. Die entsprechende Politik des Bundes muss als „Zulassungspolitik “ bezeichnet werden. Richtlinie dieser Politik ist einmal die zahlenmäßige Beschränkung der Zahl der ausländischen Personen in der Schweiz, was mit Kontingenten für neu einreisende Arbeitskräfte und einschränkenden Bestimmungen für Ausländer und Ausländerinnen in der Schweiz geregelt wird. Weiter werden die Interessen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt, wobei inländische Arbeitskräfte bis vor kurzem (Juni 2004) eine Vorrangstellung einnahmen. (335) Dazu strebt der Gesetzgeber die Integration ausländischer Personen in Wirtschaft und Gesellschaft an, was er u.a. Mit der Verbesserung der rechtlichen Stellung mit zunehmender Aufenthaltsdauer fördert. (336)
Die ausländerrechtliche Gesetzgebung in der Schweiz ist im Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung von AusländerInnen (ANAG) (337) und in der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländerinnen (BVO) (338) geregelt. Grundlage war längere Zeit das „Drei-Kreise-Modell“, (339) das durch das von der Kommission Hug vorgeschlagene „Zwei-Kreise-Modell“ ersetzt wird. (340)
Ausgangspunkt sind drei Formen der Zulassung: Erwerbstätigkeit, Nicht-Erwerbstätigkeit und humanitäre Gründe. Für Personen aus Nicht-EU/EFTA-Staaten sollen sowohl eine Kontingentierung wie auch ein individuelles Zulassungssystem gelten. Dieses beruht auf einem Punktesystem, dessen Kriterien Alter, Ausbildung, Erfahrung, Sprachkenntnisse und berufliche Anpassungsfähigkeit sind. Der Standard ist der schweizerischen Wirtschaft angepasst, also im Vergleich mit Dritt-Welt-Staaten hoch.
Für Asylsuchende, die in der Schweiz 4,2% des Ausländeranteils ausmachen, gilt ein spezielles Asylgesetz, das seit 1998 in Kraft und zurzeit im eidgenössischen Parlament in Revision ist. Bis im Jahr 2002 waren nur beschränkte Migrationsformen zugelassen. Da die Aufenthaltsbewilligung immer an einen bestimmten Zweck gebunden war, also etwa Heirat, Arbeit oder Studium, blieben vielen migrationswilligen Bürgerinnen außerhalb des EU/EFTA-Kreises nur als Ehefrauen, Cabaret-Tänzerinnen, Touristinnen, Asylsuchende oder Flüchtlinge die Möglichkeit, in die Schweiz zu migrieren. Eine Arbeitsbewilligung konnten sie praktisch nur durch Heirat (Jahresaufenthaltsbewilligung „B“), als Cabaret-Tänzerinnen (Kurzaufenthaltsbewilligung „L“) oder durch einen positiven Asylentscheid erhalten. Diese Möglichkeiten boten sich allein aufgrund der Herkunft an, unabhängig von Ausbildung und einem beruflichem Hintergrund. Eine fremdenpolizeiliche Ausnahmebestimmung stellt die so genannte „Monteurregelung“ dar. Danach darf ein ausländischer Selbständigerwerbender für acht Tage ohne Bewilligung in der Schweiz arbeiten. Diese Ausnahmeregelung wird von gewissen Kantonen auch auf das Sexgewerbe angewendet, was bei den betroffenen Polizeistellen auf Unverständnis stößt, fühlen sie sich doch in ihrer Aufgabe einer konsequenten Kontrolle des Aufenthaltsstatus von Prostitutionsmigrantinnen stark behindert. Dabei kritisiert die Polizei, dass eine Prostituierte nach Ablauf der acht Tage gar keine Arbeitsbewilligung erhalten würde, wenn sie dies bei der zuständigen Fremdenpolizei beantragte. Für die Kontrollorgane ist es schwierig, einer ausländischen Prostituierten nachzuweisen, dass sie länger als acht Tage in der Schweiz selbständig erwerbstätig war. In einigen Kantonen fehlen kantonale Verordnungen, wie sie in Art 199 StGB vorgesehen sind (Kt. Tessin).
Was die Gruppe der Prostitutionsmigrantinnen aus Ländern außerhalb der EU/EFTA betrifft, ist bis auf weiteres nur der Aufenthalt der Cabaret-Tänzerinnen im geltenden Ausländerrecht speziell geregelt.
Die Bedingungen für die speziellen Regelungen sind an anderen Orten dargestellt. (341) Wir beschränken uns hier auf die Feststellung, dass viele Frauen als Touristinnen in die Schweiz gelangen und hier eine nach ANAG gesetzeswidrige Tätigkeit im Haushalts-, Reinigungs-, Pflege- oder eben im Sexbereich aufnehmen. Diese Migrantinnen riskieren, jederzeit in Ausschaffungshaft genommen und ausgewiesen zu werden. Dabei kommt der Wegweisungspraxis der kantonalen Fremdenpolizei ein großer Ermessensspielraum zu.
4.2.2 Auswirkungen der Regelungen auf die Prostitutionsmigration
Da eine nationale Gesetzgebung die Möglichkeiten zur legalen Arbeitsmigration nach Westeuropa beschränkt, rückt das Moment der Nachfrage und der Mechanismen des Marktes an zentrale Stelle. Es besteht eine Nachfrage der Zielländer nach qualifiziertenund unqualifizierten Arbeitskräften, und die Herkunftsländer haben ein Migrationspotenzial. Formale und informelle Arbeitskontexte selektionieren dabei unterschiedliche Segmente des Migrationspotenzials. Der formale Bereich ist an eine Reihe von ausschließenden Faktoren gebunden, der informelle Bereich leichter zugänglich. (342)
Die Prostitutionsmigration als Teil des informellen Sektors nimmt aus verschiedenen Gründen eine Sonderstellung in diesem Kontext ein: Einmal überschneidet sich hier der informelle Bereich mit nicht erlaubter Erwerbstätigkeit, und andererseits überschneiden sich die gesetzlichen Regelungen und die rechtliche/administrative Praxis der Zulassung der Migrantinnen nach Herkunftsländern. Während Migrantinnen und Migranten aus den bisherigen EU/EFTA-Staaten ein Niederlassungsrecht unabhängig von der Art der Tätigkeit begründen können, begründet Prostitutionsmigration aus Drittstaaten aufgrund der Zulassungsbeschränkungen weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Aufenthaltsrecht.
Der Gedanke der Gleichstellung von Prostitutionsmigrantinnen und illegalen Arbeitnehmern wird von Heller zur Diskussion gestellt: „Alle illegalen Schwarzarbeitnehmer handeln widerrechtlich. Ihnen ist der Aufenthalt und die Arbeit in der Schweiz verboten. Alle erfüllen sie verschiedene Straftatbestände. Aus übergeordneten Gründen billigt man ihnen jedoch sämtliche Rechte aus Arbeitsvertrag zu – es sei denn, es handle sich bei diesen Illegalen um Frauen, die sich prostituieren. Prostituierte, die für Dritte arbeiten, verlieren jeden arbeitsrechtlichen Schutz, weil ihr Arbeitsvertrag scheinbar mit einem zusätzlichen Rechtsmangel behaftet ist. Der zusätzliche Rechtsmangel soll in einem Verstoß der guten Sitten liegen. Nach der Revision des Sexualstrafrechts im Jahr 1992 ist diese Sicht nun grundsätzlich neu zu überdenken“ (Heller: 15).
Dieser Ansatz übersieht allerdings die (auch) vom (revidierten) Gesetz nicht in Frage gestellte Gleichstellung ausländischer Prostituierter mit inländischen. Denn auch diese sind an gesetzliche und fiskalische Auflagen gebunden, und üben ihr Gewerbe grundsätzlich dann legal aus, wenn sie sich als Selbständige betätigen und über den einzelnen Akt der Prostitution hinaus Dritten gegenüber keinerlei Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Prostitution eingehen. Der unsittliche Vertrag bezieht sich also nicht auf Dritte, sondern auf das Verhältnis von Freier und Prostituierter. Und hier überlässt der Gesetzgeber es den Prostituierten bzw. den Freiern, einen Auftrag bzw. ein Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Daraus folgt, dass eine Professionelle meist vor oder während des Aktes der Prostitution abkassiert oder sich auf einen Auftrag bei Zweifel an der Zahlungswilligkeit des Freiers erst gar nicht einlässt. Umgekehrt ist ebenso denkbar, dass eine Prostituierte das erhaltene Geld einsteckt, ohne sich weiter auf prostitutive Handlungen einzulassen. Wird Gewalt angewendet oder liegt Freiheitsberaubung, Raub oder Diebstahl vor, sind Freier und Prostituierte gleichermaßen durch entsprechende Gesetze geschützt – und zwar unabhängig von deren Nationalität. Im Übrigen gelten die Strafbestimmungen betreffend die Förderung der Prostitution und den Menschenhandel für In- und Ausländerinnen gleichermaßen. Es ist also nicht einzusehen, weshalb ausländischen Prostituierten vor inländischen ein Sonderstatus bzw. Sonderrechte eingeräumt werden müssten.
Der Ansatz Hellers widerspricht den Intentionen des neuen Ausländergesetzes. Die Zulassungskriterien für Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörige beruhen auf beruflicher Qualifikation und Herkunftsland, sodass mit formloser Wegweisung als „unerwünschter Ausländerin“ (343) rechnen muss, wer diese Kriterien nicht erfüllt oder nicht andere Gründe geltend machen kann (humanitäre Gründe, Asylrecht). Für EU/EFTAStaatsangehörige gelten nach Übergangsfristen und -regelungen die gleichen Arbeits- und Erwerbsrechte wie für Schweizer BürgerInnen.
Eine weitere juristische Arbeit beschäftigt sich mit dem Postulat der Anerkennung der Prostitution als Arbeit, aus der Hoffnung heraus, Prostituierte und Prostitutionsmigrantinnen unter Arbeitsrecht besser schützen zu können. (344) Auch dieser ist nicht hilfreich, da Zuhälterei als Straftatbestand in der Gesetzesrevision von 1992 ersatzlos gestrichen wurde und es einer Prostituierten unbenommen ist, die Dienste eines Zuhälters oder einer Zuhälterin in Anspruch zu nehmen. Ein Angestelltenverhältnis ist undenkbar, da Dritte sich wegen Förderung der Prostitution oder Menschenhandel strafbar machen können, wenn sie eine Person qua Vertrag zur wiederholten Prostitution verpflichten oder bis zum Ablauf des Vertrags darin festhalten.
Da die Ausübung der Prostitution bis Juni 2002 weder zu einer Aufenthalts- noch zu einer Arbeitsbewilligung für Ausländerinnen berechtigte, reisten die meisten Frauen als Touristinnen für eine maximale Aufenthaltsdauer von drei Monaten ein. Oft wurden Einreisedokumente gefälscht oder sogar Beamte bestochen. Während Frauen aus Ländern wie Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei für den Grenzübertritt kein Visum benötigten, bot sich Frauen aus anderen, vor allem osteuropäischen Ländern wie Russland, Rumänien und Ukraine, aber auch aus Marokko, Brasilien, Santo Domingo oder Thailand die Kurzaufenthaltsbewilligung (L-Bewilligung) für „Tänzerinnen“ an. Unabhängig von ihrem Einverständnis mit der Art der Erwerbstätigkeit bewegten sie sich als Prostituierte im illegalen Bereich, da die L-Bewilligung oder ein Touristenvisum nicht zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigen. Sie müssen bei Entdeckung mit der ‚Ausweisung oder sogar mit einer Strafe rechnen. Allein im Kanton Zürich wurden im Jahr 1996 über 220 Osteuropäerinnen ausgeschafft (35 Polinnen, 81 Slowakinnen, 79 Ungarinnen, 27 Tschechinnen). (345) Folgende Beispiele aus dem Kanton Tessin verdeutlichen die Situation der Migrantinnen, die im legalen Rahmen als Prostituierte arbeiten wollten: Im ersten Fall beantragte eine in Italien wohnhafte, 37-jährige Brasilianerin eine Arbeitsbewilligung als Prostituierte im Kanton Tessin. Sie erklärte sich bereit, die Steuern auf der Basis ihrer Bruttoeinnahmen (ca. 90’000 Franken) für sechs Monate im Voraus zu bezahlen sowie entsprechende Sozialversicherungen abzuschließen. Die Fremdenpolizei verwehrte die Arbeitsbewilligung mit der Begründung, dass die Bittstellerin keine EU-Bürgerin sei. Da aus nicht EU/EFTA-Staaten nur hochqualifizierte Fachleute zugelassen seien, käme sie auch für diese Kategorie nicht in Frage. (346)
Im zweiten Fall handelte es sich um eine deutsche Prostituierte, welche sich im Tessin für sechs Monate niederlassen und ihre Tätigkeit ausüben wollte. Die Steuern hätte sie ebenfalls im Voraus abgeliefert. Ihr Begehren wurde von der Fremdenpolizei mit der Begründung abgelehnt, das Ausländerkontingent sei ausgeschöpft. Ihr Anwalt legte Berufung gegen diesen Entscheid ein, hatte damit aber keinen Erfolg. (347) Im Jahr 2000 hielt sich im ganzen Kanton Tessin gerade eine einzige Prostituierte mit Schweizer Bürgerrecht auf, die vorschriftsgemäß registriert war und regulär Steuern bezahlte. (348)
Die Nachfrage der Freier nach mehr oder weniger „exotischen“ Frauen erklärt nur einen Teil des Blühens des Marktes. Geschäfte mit Prostituierten lohnen sich vor allem dann, wenn die Frauen außerhalb des gesetzlichen Rahmens tätig sind. Aufgrund dieses Status sind sie von der Geschäftspraxis der Betreiber abhängig und müssen ihre Bedingungen akzeptieren. Dazu können Geschäftsführer aufgrund von undurchsichtigen „Anstellungsverhältnissen“ leichter am Fiskus vorbei wirtschaften. Andererseits ist ein professioneller Marktauftritt nötig, um als Wirtschaftsbranche der Sexindustrie wahrgenommen zu werden und um sich behaupten zu können. Die Vorstellung von einer einzelnen Prostituierten, die sich nur aufgrund ihrer unspezifischen Bereitschaft, auf sexuelle Wünsche von Männern einzugehen, auf einem stark professionalisierten, beworbenen, territorial abgesteckten und diversifizierten Sexmarkt behaupten kann, ist wohl in der heutigen Zeit überholt.
Die ausländerrechtlichen Auflagen des Einreiselandes sowie die Praxis der Polizei- und Grenzkontrollbehörden haben einen wesentlichen Einfluss auf die Strukturen der grenzüberschreitenden Organisationen von Prostitutionsmigration und Frauenhandel. Schweizerische Migrationspolitik ist in erster Linie Zulassungspolitik und will unerwünschter Einwanderung Schranken setzen. Die Migranten suchen Wege, diese Schranken zu umgehen und entwickeln Strategien, wie sie ihr Ziel erreichen können. Die folgende Darstellung zeigt die Anforderungen, die erfolgreiche Migranten bewältigen müssen.
Tabelle: Rahmenbedingungen der Prostitutionsmigration (349)
Tabelle: | Herkunftsland | Grenzübergang | Zielland
Anforderungen: | Visum, Reise, Ticket | Routing, Profiling, Landweg, Luftweg, Seeweg, Grenzkontrollen | Arbeitserlaubnis, Niederlassung, Dauer des Aufenthalts, Arbeitsmöglichkeit, Polizeikontrollen, Rechtsprechung
Strategien, Lösungen, Antworten: | Bereitstellung ökonomischer Ressourcen, Transport, Begleitung | Rückschaffung, Abholdienst, Platzierung | Netzwerke, Arbeitsbedingungen, Geldtransfer, Verdienst, Heirat
Die Prostitutionsmigrantinnen haben dann eine gute Chance, von einer Welt in die andere zu gelangen, wenn sie Zeichen der Konformität mit den Vorstellungen der lokalen Bevölkerung und Autoritäten über die Vertretbarkeit, die Legitimität und die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts geben. Diese Zeichen der Konformität werden ambesten in Szene gesetzt, wenn Strukturen so funktionieren, dass die Situation des Übertritts und die Kontextualität von Kontrollen adäquat gedeutet und den Migrantinnen entsprechend vermittelt wird. Übertritts- und Kontrollsituationen haben deutliche Aspekte von Ritualen, die nicht ohne Sozialkompetenz bewältigt werden können. Bedingung für eine erfolgreiche Bewältigung ist eine gewisse Lernfähigkeit eines sozialen Zusammenhangs, der als Organisation begriffen und durchaus den Charakter kleingewerblicher oder familiärer Strukturen haben kann. Solche familiär-kleingewerbliche Strukturen sind in der Lage, flexibel auf Änderungen der Strategien der Institutionen sozialer Kontrolle zu reagieren.
Auf die Auswirkungen der Revision des Sexualstrafrechts angesprochen, kamen verschiedene Aspekte zur Sprache. Da die Gesetzesrevision den Straftatbestand der Zuhälterei abgeschafft hat, sei es einfacher geworden, von der Prostitution zu profitieren und schwieriger zu intervenieren. „Früher, mit dem alten Zuhältereiartikel war es natürlich viel einfacher zu arbeiten. Wenn wir soweit sind, dass wir sagen müssen, das ANAG ist noch das beste Gesetz, das wir haben, dann ist das wirklich ein zahnloser Tiger, dann könnte man den Artikel [Art. 195 und 196 StGB] beinahe streichen“ (Polizeisprecher, Kanton Bern).
Eine Staatsanwältin (Basel-Stadt) meinte zwar, dass sie froh über die Revision sei, da sie nun keine Bagatellfälle mehr habe. Doch wird allgemein erkannt, dass die Stellung der Prostituierten geschwächt worden sei und kaum Schutzoptionen zur Verfügung stehen. „Die Frauen hat man vergessen. Wenn man politisch etwas machen will, bräuchte man eine Änderung des Sexualstrafrechts, um die Frauen besser zu schützen“ (Polizeisprecher, Stadt Zürich).
Ein Verantwortlicher der Fremdenpolizei betonte, dass die Instanzen bei Übergriffen und Gewalt unbürokratisch zusammenarbeiten und die Frauen geschützt wären. Es bestehe kein Handlungsbedarf für ein Zeuginnenschutzprogramm (Chef des Migrationsamtes Zürich). Gegenteiliger Meinung sind hier allerdings die meisten Frauenorganisationen und engagierte Politikerinnen, die zum Schutz vor allem der Prostitutionsmigrantinnen ein solches Programm fordern, da die neuen Gesetze nicht genügten (Maritza Le Breton, Leiterin des FIZ, Zürich und Nationalrätin Cecile Bühlmann, Luzern).
4.2.3 Prostitution und Tänzerinnenstatut
Nach einer vom Ständerat 1993 überwiesenen Empfehlung von Bruno Frick (350) hat der damalige Bundesrat Arnold Koller reagiert und das Bundesamt für Ausländer (351) aktiviert. Er verlangte die Ausarbeitung geeigneter Maßnahmen für die wachsende Zahl von ausländischen Tänzerinnen (L-Bewilligung), die oft unter unwürdigen Bedingungen arbeiten müssten.
In einem Kreisschreiben an die Chefs der kantonalen Fremdenpolizeien stellte das BfA fest, dass einige Unterhaltungslokale geltende Rechtsvorschriften umgehen und im Ausland angeworbene Tänzerinnen ausschließlich zur Animation der Gäste und zur Prostitution missbrauchen. Dazu kämen oft auch übertriebene Lohnabzüge und die Zweckentfremdung von Sozialleistungen. Die Fremdenpolizei sollte strengere Regeln beachten und die Arbeitsbedingungen der Tänzerinnen wirksamer kontrollieren. Die von uns befragten Interviewpartner beklagen die Doppelmoral des Tänzerinnenstatus, was nichts anderes als eine legalisierte Form der Prostitutionsmigration sei. (352) „Bei den Tänzerinnen hat man seit Jahren diese Doppelmoral. An und für sich wären sie hier zum Tanzen, sie animieren an der Bar, nach dem neuen Bündner Gastwirtschaftsgesetz ist das jetzt erlaubt, das heißt es ist nicht mehr verboten. Im Separee hinten werden sexuelle Dienstleistungen angeboten, von oral bis allem. Wenn die Freier dann genug konsumiert haben, dann dürfen sie noch mit aufs Zimmer und zahlen dort nochmals 300 bis 400 Franken. Oder man verabredet sich nach Feierabend. Auch dann muss der Gast eine Flasche mit aufs Zimmer nehmen. Drei Viertel von denen, die als Tänzerinnen hier sind, machen das sicher. Es ist nichts anderes als eine andere Art der Prostitution, die legalisiert ist. Und da muss man ja nicht so blauäugig sein, dass man im Parlament, im Nationalrat und im Ständerat nicht darüber Bescheid weiß“ (Polizeisprecher, Kanton Graubünden).
In den meisten Cabarets sind die Frauen gezwungen zu animieren, was leicht zu Alkoholabhängigkeit und damit verbundenen Krankheitsverläufen führen kann. „Nach dem Wirtschaftsgesetz haben wir hier in Bern ja ein Animierverbot. Das heißt, die Tänzerinnen dürfen nicht an die Bar sitzen und sich Champagner bezahlen lassen. Nachher mussten wir Kontrollen machen und haben Betreiber angezeigt, denn schon das Dulden von Animierdamen ist verboten. Der hat Rekurs gemacht und dann hat ihm der Richter Recht gegeben, denn ein Gast könne sich ja weigern, ihr Champagner zu bezahlen. Aber wie sollen wir denn da Kontrollen machen, das ist ein Gesetz, das überhaupt nicht greift“ (Polizeisprecher, Kanton Bern).
Den Gesprächspartnern fällt auch die schwache Stellung der Frauen in den Clubs auf, deren Weitervermittlung in andere Clubs von der Zufriedenheit des Arbeitgebers abhängt. „Die Tänzerinnen prostituieren sich oft. Sie werden ja so knapp gehalten, mit Abzügen, wenn sie nicht genug Alkohol konsumieren, wenn sie zu spät kommen. Oft kommen sie ja nicht mit der Idee hierher, sich zu prostituieren. Der Vertrag ist eigentlich nur eine Farce, hinter der sich der Cabaret-Besitzer verstecken kann, die Frau kann aber ihre Rechte nicht einklagen. Auch wenn sie ungerechtfertigt entlassen werden, müssen sie so oder so zurückkehren. Diese L-Bewilligung ist quasi eine legitimierte Ausbeutung. Und dann sind da noch die Agenturen, die mitverdienen“ (Leiterin AHS, Barfüsserprojekt, Luzern).
Cabaret-Tänzerinnen sehen sich oft genötigt, Wucherpreise für Unterkunft, Kost und Service „unter dem Tisch“ bezahlen zu müssen. Krankenkassen- und Versicherungsbeiträge werden ihnen zwar meist abgezogen, die Gewissheit darüber, ob sie zu ihren Gunsten auch einbezahlt werden, entzieht sich oft ihren Kontrollmöglichkeiten. Champagnerumsatzbeteiligungen werden je nach Gutdünken ausbezahlt oder zurückbehalten, so dass die Frauen oft nicht auf den vorgeschriebenen Mindestlohn kommen. So kann der ausbezahlte Lohn zwischen 1500 und 2800 Franken liegen. „Ich befürworte die Praxis mit den Tänzerinnen nicht, weil das auch Menschenhandel ist, wenn sie sehen, wie die Agenten mit diesen Frauen umspringen: einen Monat sind sie da, einen dort. Ich habe von einer Russin gehört, wie ihr dortiger Lokalagent abkassiert. Eine andere Frau hat mir gesagt, dass unter 500 Dollar keine Papiere zu bekommen seien, um ein Engagement in der Schweiz zu erhalten. Die finanziellen Aufwendungen sind groß. Die Frauen haben bei der Einreise in die Schweiz in der Regel Verträge für die ersten drei Monate, acht Monate können sie hier bleiben. Für fünf weitere Monate sind sie folglich den Cabaret-Betreibern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Im vorliegenden Fall nützt dieser die Tänzerinnen schamlos aus. Der konsumiert die Frauen und sagt, wenn Du mit mir ins Bett kommst, gebe ich Dir den Vertrag für den nächsten Monat. — Die Tänzerinnen haben zwar schon einen guten Verdienst, aber mit drei Monaten sind wahrscheinlich die Kosten noch nicht gedeckt“ (Polizeikommandant, Kanton St. Gallen).
Unter den Tänzerinnen dominieren die Frauen aus Zentral- und Osteuropa, zugleich ist die Tendenz feststellbar, eine Balance zwischen weißen und exotischen Frauen herzustellen. Das Durchschnittsalter der Artistinnen ist von 30 Jahren in den 80er Jahren auf heute 20 Jahre und weniger gesunken. (353)
Die „Ostfrauen“ haben in der Hierarchie der Prostitutionsmigrantinnen eine relativ hohe Position. Sie arbeiten vor allem in Nachtclubs und bei den Call-Girl-Agenturen, zu Preisen, die höher als die sonstigen Tarife von Prostitutionsmigrantinnen sind. Ihre dominante Position wird nach Angaben von Szenebeobachtern durch ihre äußerliche Ähnlichkeit mit der lokalen Bevölkerung, durch ihre mittlere bis höhere Schulbildung, durch ihren dem westeuropäischen ähnlichen kulturellen Hintergrund sowie aufgrund ihres Alters (meistens unter 25 Jahren) bestimmt. Die Attraktivität besteht vor allem darin, „dass sie so normal aussehen“. (354)
Seit neuem sind auch albanische Prostituierte auf dem Markt. Die Tessiner Polizei deckte einen Fall auf, wo eine albanische Zuhältergruppe Frauen an lokale Interessenten weitervermittelt hat. (355) Diese Beobachtung aus dem Tessin wird in der deutschen Schweiz nicht bestätigt.
NRO haben beobachtet, dass Tänzerinnen versuchen, der Kontrolle der Nachtclubs
zu entkommen, um auf eigene Rechnung zu arbeiten. Sie nehmen Angebote als Call-Girls an oder gehen in Bordelle arbeiten. Als Call-Girl brauchen sie ein Mobiltelefon (Natel) und eine Organisation, die ihnen die Freier vermittelt. Daraus haben sich so genannte „Natel-Organisationen“ entwickelt, die vor allem in der Westschweiz und in Lugano aktiv sind. Diese Organisationen werben Artistinnen in den Nightclubs an, vermieten ihnen ein Mobiltelefon und verschaffen ihnen die ersten Kontakte mit Freiern. Dafür verlangen die Zuhälter einen Anteil des Prostituiertenlohns. Diese Variante konkurriert die Nachtclubs, welche die Eigeninitiative von Artistinnen wenig schätzen, sind sie doch weniger abhängig von ihrem offiziellen Anstellungsverhältnis und infolgedessen weniger bereit, die Arbeitsauflagen bedingungslos zu akzeptieren. Zudem hat der starke Zustrom von immer neuen Prostituierten aus dem Ausland zu Dumpingpreisen geführt. Dies veranschaulicht das Beispiel eines Bordells, welches von der Polizei geräumt wurde — nach zwei Tagen waren alle 45 Zimmer bereits wieder mit neuen Frauen besetzt. Tatsächlich scheint das Angebot an Prostitutionsmigrantinnen so groß zu sein „that it would even be possible to open 10 more brothels in the canton which would be full in one week“ (Föllmi: 84).
4.2.4 Strategien von Prostitutionsmigrantinnen
4.2.4.1 Die Tänzerinnen
Ein Kontingent von ca. 2000 Striptease-Tänzerinnen reist jährlich mit einer Bewilligung L (Kurzaufenthalt) in die Schweiz ein. Diese Bewilligung beruht auf einem Vertrag mit Nachtelubbesitzern und ist für acht Monate im Jahr gültig. Obwohl dieser Aufenthaltsstatus weder zu Animation noch zu Prostitution berechtigt, sind sich Strafverfolgungsbehörden und NRO einig, dass diese Tätigkeiten einen zentralen Bestandteil der Beschäftigung bilden. Die lokalen Strafverfolgungsbehörden sehen wenige Möglichkeiten, diese Verbote durchzusetzen. Personalintensive Methoden, knappe zur Verfügung stehende Mittel und die erschwerte Nachweisbarkeit von Übertretungen behindern ihre Tätigkeit. Die Wirkung auf die Frauen ist zwiespältig: Einerseits signalisieren die staatlichen Organe Toleranz gegenüber den bestehenden Verhältnissen, andererseits beanspruchen sie die Macht, die Situation zu kontrollieren und Verstöße gegen Vorschriften zu ahnden. Der Handlungsspielraum ist jedenfalls erheblich, was die Frauen als Willkür interpretieren. Willkür fördert den Anpassungsdruck und ist wenig geeignet, allfälligen Schutz vor Übergriffen der Geschäftsführer zu gewährleisten. NRO haben in diesem Kontext einen schweren Stand, da ihnen als unerwünschte Gäste der Zutritt zu den Clubs oft verweigert wird.
Aufgrund von Missbräuchen, welche im Rahmen von Visa-Erteilungen bekannt wurden, schrieb das Bundesamt für Ausländerfragen (BfA) den schweizerischen Vertretungen im Ausland vor, dass sie ein vorher von der zuständigen Kantonspolizei autorisiertes Artisten-Visum nur noch ausstellen dürfen, wenn die Bewerberin persönlich vorspreche und den korrekt ausgefüllten, unterzeichneten und vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) anerkannten Originalvertrag vorlege.
„Das BfA beschränkt sich darauf zu kontrollieren, ob die Hygienebedingungen im Vertrag der Tänzerinnen den Vorschriften entsprechen. Auf dieser Basis stellt die Botschaft das Visum aus. Den Inhalt des Begriffs ‚Tänzerin‘ kontrolliert von da an nur die örtliche Polizei. Nur wenn sie eine Frau in flagranti mit einem Freier erwischt, ist es möglich, ihr Prostitution nachzuweisen“ (Chef der Fremdenpolizei des Kantons Tessin). Das BfA (BfM) bekennt denn auch ein gewisses Unbehagen bei jedem für eine Tänzerin ausgestellten Visum. „Das System ist beschränkt, aber es bleibt in der Legalität“, beklagt sich Luciano Morelli, Chef der Fremdenpolizei des Kantons Tessin. (356)
Verschiedene Kantone (St. Gallen, Thurgau, Appenzell AR und Aargau) haben eine spezielle Tänzerinnenregelung eingeführt, wonach nur noch Frauen mit C-Ausweis (Niederlassung) oder Ausländerinnen aus EU- und EFTA-Ländern eine L-Bewilligung erhalten. Diese Regelung wurde durch die Annahme motiviert, dass sich Frauen aus diesen Ländern gegen unzulässige Ansinnen seitens der Cabaret-Betreiber eher wehren könnten und nicht alle Konditionen ohne weiteres akzeptieren würden.
Die Resultate waren unbefriedigend. Dies hat zwei Gründe: Ausländerinnen, die Arbeitsbedingungen wie Animation, Prostitution und Lohndumping akzeptieren, konkurrenzieren die aus EU/EFTA-Staaten stammenden Artistinnen stark; zum anderen versuchen Tänzerinnen aus Entwicklungsländern die Einschränkung durch Heirat zu umgehen. Im Kanton St. Gallen, wo die Regelung seit 1997 in Kraft ist, beanspruchten Frauen aus EU/EFTA-Staaten im Jahr 1998 nur 30% der ausgestellten 1020 Bewilligungen für Tänzerinnen. Die meisten dieser Frauen stammten überdies aus einem Drittland und hatten in die EU/EFTA eingeheiratet oder kamen als Familiennachzug in die Schweiz.
„Die Bestimmung ist sinnlos, so lange die großen Kantone nicht mitziehen. Frauen reisen über andere Kantone ein und heiraten. Eine Scheinehe mit einem Schweizer aus dem Milieu kostet zwischen 10’000 und 30’000 Franken, aber Alkoholiker und Drogensüchtige gehen eine solche Ehe auf Papier schon für ein paar hundert Franken ein“ (Chef der Kantonspolizei St. Gallen).
Johannes Keel, zuständig für den Straf- und Maßnahmenvollzug im kantonalen Justiz- und Polizeidepartement St. Gallen, hat Mühe, die im Verlaufe der Jahre eingeführte Praxis der Gogo-Girls als „Kulturaustausch“ zu betrachten und fragt: „Warum soll eine Nachtclubtänzerin aus Brasilien oder Thailand auf dem Schweizer Arbeitsmarkt besser gestellt sein als eine Näherin oder eine Köchin aus dem gleichen Land?“
Auch andere Kantone sind nicht begeistert vom St. Galler Vorprellen. „Es wäre vielleicht ehrlicher, das Geschäft gerade ganz abzublasen und zu schauen, was dann in der Grauzone passiert“, sagt beispielsweise Paul Schwendener, Leiter des Bündner Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit. Im Kanton Bern warten die Verantwortliche klare Weisungen der Bundesbehörden ab, die dann in der ganzen Schweiz einheitlich vollzogen werden können.
Nach Auskunft des Asco-Präsidenten Jürg König (357) besteht das Problem darin, dass einige Kantone wahllos Bewilligungen erteilen würden. Sinnvoll wäre eine gesamtschweizerische Kontingentierung. Ein generelles Zulassungsverbot, so habe der Bundesrat früher betont, komme aus heutiger Sicht kaum in Betracht, weil dadurch Ausländerinnen veranlasst würden, in die Illegalität abzutauchen, und so jeglichen Schutz verlören.
Strafverfolgungsbehörden und NRO sind sich darin einig, dass das Tänzerinnenstatut eine der wenigen Möglichkeiten für unqualifizierte Migrantinnen bietet, in der Schweiz zivilstandsunabhängig einem Erwerb nachzugehen. Clubbetreibern und Vermittlungsagenturen dient es aber als legaler Vorwand, ausländische Frauen in dem weitaus lukrativeren Bereich der Animation und Prostitution zu beschäftigen. Ein Überblick über die Entwicklung der Zusammensetzung nach Nationalität der Tänzerinnen versteht sich deshalb als Hinweis auf die Entwicklung der Zusammensetzung nach Nationalität der Migrantinnen, die in der Schweiz außerhalb des gesetzlichen Rahmens im Bereich der Prostitution tätig sind. Es ist anzunehmen, dass weitere Landsfrauen über bestehende Transfernetze und über ethnisch orientierte Kanäle in den illegalen Sexmarkt geschleust werden.
Bei der grafischen Darstellung der Herkunftsländer der Prostituierten im Zeitverlauf fällt auf, dass die Osteuropäerinnen während des ganzen Zeitraums kräftig zulegten und Migrantinnen vor allem aus Mittel- und Lateinamerika vom Tänzerinnen-Markt verdrängten. Zunehmend beherrschten sie den Markt, verdrängten in einer ersten Phase die Westeuropäerinnen, um anschließend auf Kosten der Mittel- und Lateinamerikanerinnen, aber auch der Thailänderinnen (Asien), ihren Marktanteil zu vergrößern.
Grafik in der Printausgabe: Herkunft der Tänzerinnen mit Bewilligung L (Kurzaufenthalt) in der Schweiz von 1990-2002 (358)
Osteuropäerinnen waren aufgrund ihrer Notsituation nach der politischen Wende und der zunehmenden Sichtbarkeit des Wohlstandsgefälles zu Westeuropa besonders migrationsbereit und akzeptierten schlechtere Arbeitsbedingungen eher als Angehörige von anderen Ethnien. Mittel- und Lateinamerikanerinnen, aber auch Asiatinnen und Westeuropäerinnen, wussten ihre Markterfahrung umzusetzen und erschlossen alternative Migrationsstrategien, wie zum Beispiel Heirat oder Prostitution außerhalb des gesetzlichen Rahmens, Optionen, die den Osteuropäerinnen mangels Erfahrung und mangels Beziehungen weniger zur Verfügung standen.
Im Jahr 2000, dem Höhepunkt der legalen Sexmigration aus Osteuropa, stammten 36% der osteuropäischen Tänzerinnen in der Schweiz aus der Ukraine, gefolgt von 23% aus Russland, 20% aus Rumänien, 10% aus den Baltischen Staaten, 7% aus Bulgarien und der Rest verteilte sich auf Ungarn, Polen und die ehemalige Tschechoslowakei. (359)
Diese Angaben stützen die Vermutung, dass die Voraussetzungen für Sexmigration in Russland, der Ukraine und den Baltischen Staaten besonders gut waren. Sie zeigt aber auch den relativ geringen Rückgriff auf die L-Bewilligungen von Prostitutionsmigrantinnen aus Ländern mit ähnlichen Bedingungen, aber ohne Visumszwang, wie Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Angesichts der Ausschaffungszahlen von Prostituierten gerade aus den visumsfreien Ländern ist anzunehmen, dass diese Frauen als Touristinnen in die Schweiz einreisten, um hier außerhalb des gesetzlichen Rahmens als Prostituierte Geld zu verdienen.
Damit werden unterschiedliche Strategien osteuropäischer Prostitutionsmigrantinnen deutlich. Während Frauen (z.T. auch Männer) aus visumbefreiten Ländern Osteuropas wie Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei über Händlernetze, Anwerber, Vermittler oder auch selbständig auf den Schweizer Prostitutionsmarkt gelangten, waren Angehörige aus osteuropäischen Ländern mit vergleichbarem Migrationspotenzial, aber mit Visumpflicht, auf einen Vertrag als „Tänzerinnen“ angewiesen, was ihnen die Einreise mit L-Bewilligung erlaubte.
Im Jahr 2000 sind die meisten Tänzerinnen in den größeren Städten wie Zürich, Bern, Basel, Genf und im Tessin aktiv. Frauen aus Marokko, Santo Domingo und Brasilien sowie Rumäninnen, denen der Zugang zum Französischen relativ leicht fällt, fassten eher in der welschen Schweiz bzw. im Tessin Fuß und sind in der Romandie etwas übervertreten. Bulgarinnen migrierten schon vor der Wende auf den Schweizer Sexmarkt und konnten ihren Stand in den 90er Jahren leicht erhöhen, während Thailänderinnen vor allem in der „Sexmetropole Zürich“ noch gefragt waren.
Die Entwicklung der Zahl der Tänzerinnen macht deutlich, dass der gesamte Trend im Jahr 2002 gebrochen wird und dass die Osteuropäerinnen jetzt weniger stark in dieses Segment wandern. Die rückläufigen L-Bewilligung für Osteuropäerinnen etwa ab dem Jahr 2000 bedeutet weniger, dass sich diese Personengruppe aus dem Sexgeschäft zurückgezogen hätte, sondern dass das Know-How über die günstigsten Migrationsstrategien diffundierte und sich die bereits etablierten Frauen lukrativere und unabhängigere Möglichkeiten der (Prostitutions-)Migration erschlossen (etwa durch Heirat oder Beziehungen). Selbstverständlich können sich den Frauen auch alternative Lebensperspektiven eröffnet haben, oder sie wählten die Variante der permanenten Rückwanderung.
Wenn die Annahme zutrifft, dass die als Tänzerinnen beschäftigten Frauen vor allem in der Animation und Prostitution tätig waren (vgl. Interviews mit NRO und Polizeistellen), so mag ein neues Element zur Erklärung des allgemeinen Abfalls des Tänzerinnensegments sowie insbesondere des Rückgangs der Osteuropäerinnen aus diesem Segment beitragen: Die Situation hat sich für Angehörige von EU/EFTA-Mitgliederstaaten insofern verändert, als dass es ihnen seit Juni 2002 möglich ist, aufgrund einer einfachen Anmeldung in der Schweiz erwerbstätig zu werden — auch als selbständige Prostituierte. Wie einzelne Stellen melden, reisten ab diesem Zeitpunkt vermehrt Westeuropäerinnen als Prostituierte in die Schweiz ein und konkurrenzieren aufgrund ihrer kulturellen, sprachlichen und geographischen Nähe zur Schweiz die osteuropäischen Prostituierten stark (vgl. Kap. 4.5, Freierbefragung). Die Legalität ihres Aufenthalts- und Erwerbsstatus bringt den Westlerinnen im Vergleich zu den Osteuropäerinnen einen zusätzlichen Marktvorteil. Es ist denkbar, dass Osteuropäerinnen — solange ihre Heimatstaaten der EU nicht beigetreten sind — ihre Tätigkeit außerhalb des gesetzlichen Rahmens ausüben und ihre Marktstellung mit Dumpingpreisen zu halten suchen, wobei sie schlechtere „Arbeitsbedingungen“ in Kauf nehmen müssen; möglich auch, dass sie sich von diesem Markt zurückziehen. (360)
4.2.4.2 Die Ehefrauen
Die Heirat mit einem Schweizer Bürger oder einem Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung berechtigt auch die Ehefrauen zu einem in den ersten fünf Jahren jährlich zu erneuernden Bleiberecht in der Schweiz. Gestützt darauf können in einigen Kantonen sofort Bewilligungen zur Arbeitsaufnahme auch im Sexgewerbe eingeholt werden (z.B. im Kanton Zürich). Solche Verbindungen werden oft als Scheinheiraten von Salonbesitzern und -besitzerinnen für 10’000 bis 50’000 Franken arrangiert. Die Frau ist zwar damit der Illegalisierung als Prostituierte entronnen, sieht sich aber in großer Schuldknechtschaft gegenüber dem Heiratsstifter, der oft zusätzlich zu den Reisevorbereitungskosten auch den Preis für die Heirat vorgestreckt hat. Da es sich um beträchtliche Summen handelt, bleibt zur Schuldentilgung meist nur der Weg über die „Abarbeitung“ in der Prostitution. Die Abhängigkeit der Frauen von Salonbesitzern, Heiratsvermittlern und Ehemann wird auf diese Weise über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten. Überdies lassen solche Verbindungen Zweifel an ihrer Legitimität aufkommen, was bei Behörden und Politikern Handlungsbedarf signalisiert. Da grundsätzlich die Ehe geschützt ist, eignen sich strafrechtliche Verfahren zur Kontrolle von Scheinehen kaum. Eher wird auf Verordnungen zurückgegriffen, die dann in vereinzelten Fällen dazu führen, dass die B-Bewilligung vom Migrationsamt nicht verlängert wird, sodass die Person trotz Ehefrauenstatus ausreisen muss. (361)
Statistiken von Prostituierten, die sich aufgrund der Bewilligung B durch Heirat registrieren ließen, sind erst seit 1995 und nur für die Stadt Zürich greifbar. Dennoch kommt den Daten eine gewisse repräsentative Aussagekraft zu, gilt doch Zürich und Umgebung neben Basel, Lugano, Bern und Genf als wichtigstes Zentrum des Prostitutionsmarktes. (362)
Die neusten Zahlen weisen einen steilen Aufwärtstrend auf, wobei die Angabe zu Scheinehen mit osteuropäischen Personen am meisten gestiegen ist, nämlich um das 20fache, gefolgt von Lateinamerika mit einer Zunahme um das 10fache. In absoluten Zahlen sind Personen aus Lateinamerika auf dem ersten Platz mit doppelt so vielen Scheinehen wie die Osteuropäerinnen. Ob diese Zahlen eine Abbildung der realen Proportionen präsentieren, lässt sich aufgrund der fehlenden nationalen Datenlage nicht beantworten. Es ist anzunehmen, dass die Personen, die eine Scheinehe eingehen, schon vorher im Bereich der Prostitution aktiv waren und dass die Verbindung zum Zweck der Legalisierung des Aufenthaltsstatus mit der Option einer legalen Erwerbstätigkeit eingegangen wurde. Die Scheinheirat ist eine erfolgsversprechende Strategie der Betroffenen, sich vom zweifachen Druck zu befreien, dem sie als „illegale Prostituierte“ von Zuhältern und Salonbesitzern als „Opfer“ einerseits, von den Strafverfolgungsbehörden als „Täterin“ andererseits ausgesetzt sind und dadurch ihre Position auf dem Sexmarkt zu verbessern. Diese bessere Marktposition eröffnet Optionen, sich als Selbständige zu betätigen, ein eigenes Sexgeschäft zu betreiben oder zumindest lukrativere Konditionen auszuhandeln; Optionen, die sich — unter Voraussetzung des Verbleibs im Sexgeschäft — sofort auf die Höhe des Einkommens auswirken.
Die Heiratsstrategie lässt sich in Einzelfällen aber auch als Versuch werten, aus dem Opfer-Täter Schema auszubrechen und sich der Stigmatisierung als wehr- und willenloses Opfer (von Frauenhandel) und als Straftäterin (Widerhandlung gegen das ANAG) und krimineller Ausländerin zu entziehen. Es kann auch ein Versuch sein, sich einen Zugang zur eigenen Identität zu schaffen, der verbunden ist mit einer auf Eigenständigkeit beruhenden Wahrung der Lebenschancen. Jedenfalls ist nicht ausgeschlossen, dass sich Prostituierte über Heirat auf eine Berufsperspektive in einem anderen Erwerbsbereich vorbereiten (vgl. Interview mit einer Aussteigerin, Kap. 4.4.1).
Tabelle: Neueinstieg in die Prostitution in Zürich von Ausländerinnen mit Aufenthaltsbewilligung
B, 1995-2002 (Quelle: Stadtpolizei Zürich, Stand Januar 2003).
Jahr: 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Osteuropa (363): 3; 7; 24; 26; 24;21; 37; 57
Lateinamerika (364): 10; 29; 93; 47; 60; 44; 72; 106
Asien (365): 3; 4; 28; 19; 23; 24; 19; 28
Afrika (366): 3; 7; 15; 17; 9; 13; 9; 25
Westeuropa, übrige (367): 3; 2; 10; 3; 3; 2; 9; 10
Total: 22; 49; 170; 112; 119; 104; 146; 226
Die ansteigende Zahl der Personen, die sich in der Stadt Zürich als Prostituierte haben registrieren lassen, erklärt sich einmal mit dem boomenden Markt der Prostitutionsmigration. Andererseits zeigt das ansteigende Total auf die Schwachstelle im Geschäft, denn Prostituierten ohne Bewilligung drohen polizeiliche Ermittlungen, die zu Verurteilungen, Bußen und Landesverweis führen können. Mit Bewilligung B sind Prostitutionsmigrationsgeschäfte legal, es besteht außer bei Scheinehen kein Grund für die Behörden, sich einzuschalten.
4.2.4.3 Kleingewerbliche und familiäre Netzwerke
Die Kombination von rechtlichen und sozialen Dispositionen im Herkunfts- und im Zielland eröffnet kleingewerblichen und familiären Netzwerken ausgezeichnete Möglichkeiten, sich am internationalen Sexgeschäft mit Gewinn zu beteiligen, vor allem bei der Anwerbung, beim Transfer und der Vermittlung von Personen zwecks Prostitution im Ausland. Migrationsbereite Frauen sind meistens auf die Ressourcen arbeitsteiliger Organisationen und kleingewerblicher Strukturen angewiesen, die ihnen die Gelegenheit anbieten, einer bezahlten Erwerbstätigkeit im Ausland nachzugehen, ihnen die Reisekosten vorschießen und die nötigen Reisedokumente besorgen. Die Aktivitäten solcher Organisationen dürften den Entscheid zur effektiven Migration wesentlich beeinflussen, wobei der Art der Tätigkeit und den zu erwartenden Arbeitsbedingungen wohl ebenfalls eine relevante Bedeutung zukommt. Die Nähe oder Distanz zum „Milieu“ im Herkunftsland sowie zu Personen, die bereits einschlägige Erfahrungen im In- oder Ausland gemacht haben, sind weitere migrationswirksame Faktoren. Mit der Annahme eines konkreten Angebots finden sich Migrantinnen oft nicht nur in finanzieller und struktureller Abhängigkeit dieser Schlepper und Vermittler-Netzwerke, sondern sind im Zielland mit einer illegalen Erwerbssituation konfrontiert. Dieser Umstand erhöht ihre Abhängigkeit von Vermittlern und „Arbeitgebern“ und bringt sie in eine verletzbare Position, wo sie der Instrumentalisierung durch Vermieter, Kuppler und weiteren Nutznießern ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind. Der Wunsch, sich aus diesen Abhängigkeiten zu lösen, sei es durch Legalisierung des Aufenthaltsstatus durch Heirat oder über eine eigene Vermittlertätigkeit, zeigt sich in den Resultaten dieser Untersuchung.
Aus den Interviews mit Polizeistellen und NRO sowie Gerichtsakten hervor, dass sich die kleingewerblichen Strukturen auf drei Dimensionen vernetzen: Zum einen kommen ethnische Faktoren vor allem bei der Anwerbung und Platzierung zum Tragen: Seien es ehemalige Prostitutionsmigrantinnen, die sich durch Heirat ein Aufenthalts- und Erwerbsrecht erwirkt haben und nun Landsfrauen für den eigenen Betrieb oder zur Weitervermittlung anwerben, oder seien es Zuhälter-/Schlepper-/Vermittler-Ringe, deren Initiant aufgrund familiärer Einbürgerung in der Lage ist, in der Schweiz Geschäfte abzuwickeln und den Zugang zu seinem ursprünglichen Herkunftsland über Personenkontakte, Sprache und Kultur aufrecht erhalten konnte.
Zum andern spielt die Vernetzung innerhalb des gleichen Geschäftssektors eine Rolle. So können zum Beispiel Cabaret-Betreiber unbotmäßige Frauen bei Betreibern an anderen Orten anschwärzen und den Frauen drohen, dass sie in diesem Segment des Marktes keine Beschäftigung mehr finden. Das Gleiche gilt in den Segmenten Begleitservice, Wellness-Clubs oder Massagesalons.
Die dritte Dimension ist der lokale Faktor. Aufgrund der relativen Überschaubarkeit infolge sprachlicher und geografischer Abgeschlossenheit kennen sich die Akteure im Sexgeschäft und sprechen sich zwecks Kontrolle der Beschäftigten und Gewinnmaximierung untereinander ab (Sonderfall Tessin, aber auch in Touristenorten in den Alpen und im Kanton Jura).
4.2.5 Der Grenzübertritt: Die Einreise
Zwei Kolumbianerinnen brachten mit Hilfe eines Schweizers Frauen aus Kolumbien in die Schweiz und führten sie bekannten Lokalen der Tessiner Prostitutionsszene zu. Die drei wegen Menschenhandel und Förderung der Prostitution rechtskräftig verurteilten Täter und Täterinnen gaben zu Protokoll, dass sie die Frauen in Kolumbien angeworben hatten und ihnen ein Flugticket für die Reise in die Schweiz zukommen ließen. Sie streckten ihnen auch ein Reisegeld in der Höhe von 1000 bis 2000 US$ vor, damit sie sich als Touristinnen „ausweisen“ konnten, falls sie bei ihrer Ankunft von der Schweizer Polizei angehalten würden. (368)
Dieses Beispiel zeigt, dass es einfach ist, sich als Touristin auszugeben, wenn die Verhaltensregeln bekannt sind und ein Geldbetrag vorzeigbar ist, der einen Ferienaufenthalt in der Schweiz rechtfertigt. Auch der Visumszwang lässt sich umgehen. Kolumbianerinnen etwa können in Venezuela oder Ecuador gefälschte Reisepässe zu erschwinglichen Preisen erstehen, bei Osteuropäerinnen sind Reisedokumente aus Tschechien begehrt. Im Rahmen einer Razzia in Magliaso hat die Tessiner Kantonspolizei fünf Rumäninnen und einen Rumänen festgenommen. Alle Frauen hatten gefälschte Ausweispapiere. (369) Auch wurden Frauen mit Ausweisen aufgegriffen, die sie als volljährig auswiesen, obwohl sie noch minderjährig waren.
Ein Grenzübertritt erfordert Formalitäten, Visa, Pass-Dokumente etc. Wie die Beispiele zeigen, werden solche Reisen arbeitsteilig organisiert, im Herkunftsland gut vorbereitet, und sie haben ihren Preis. Die Auflagen, die die Schweiz einreisewilligen Personen macht, sind sehr unterschiedlich: Für die Einreise in die Schweiz braucht es von den meisten Ländern einen Pass, von einigen Visa, von anderen genügt ein einfaches Reisedokument.
Solche Dokumente sind zum Beispiel in Russland schwierig zu beschaffen, denn die Antragstellerin muss für das Visum in die Hauptstadt Moskau fahren — für viele mittellose, unerfahrene, junge Frauen, die ins Ausland reisen möchten, um Geld zu verdienen, ein Hindernis, das sie schwerlich ohne professionelle Hilfe überwinden können. Diese Hilfe bieten Anwerber mit Verbindungen zum Herkunftsland und Verbindungen zum Schweizer Sexmarkt an. Sie bereiten die Reise vor, geben den Frauen Kleider- und Verhaltenstipps für den Grenzübertritt, bevorschussen die Transporttickets oder fahren die Frauen gleich selber in die Schweiz. Für den Fall, dass Reisedokumente gefälscht oder Pässe aus einem anderen Land besorgt werden müssen, spricht einiges dafür, dass die Interessenten Verbindungen zu kriminellen Gruppen aufnehmen. Die Annahme ist berechtigt, dass kriminelle Organisationen im osteuropäischen Raum, vor allem in den GUS-Staaten, auf Frauenhandel und Dokumentenbeschaffung bzw. -fälschung spezialisiert sind (Juchler, 2001). In der Schweiz sind jedoch weder in Gerichts- oder Polizeiakten noch in Interviews mit Polizeistellen und NRO Fälle zur Sprache gekommen, die auf größere kriminelle Organisationen im Zusammenhang mit Frauenhandel schließen lassen. Vielmehr handelt es sich bei den Anwerber- und Schlepperstrukturen um Pendler-Anwerber, Anwerber vor Ort mit internationalen Verbindungen zum einheimischen und ausländischen Sexmarkt, die sich arbeitsteilig und kleingewerblich organisieren, sowie um Verwandten- und Bekanntennetze mit Erfahrungen auf dem westeuropäischen Sexmarkt.
Im folgenden eine Zusammenstellung von Aussagen aus Interviews mit der Grenzpolizei, (370) Hinweise aus kantonalen Polizeistellen sowie Äußerungen aus Verhörprotokollen und Gerichtsakten: „Im Fachbereich Ausweisfälschungen konnten wir unsere Effizienz kontinuierlich steigern. Im Jahr 2000 stellten wir über 400 manipulierte Ausweispapiere fest und analysierten sie (Vorjahr ca. 360). Häufig werden gefälschte oder verfälschte Dokumente nicht mehr einzeln, sondern in mehreren Ausgaben oder Varianten mitgeführt“ (Chef GWK II, Schaffhausen). (371)
Die Bekämpfung von Ausweis- und Visumfälschungen fordert die zuständigen Kontrollstellen heraus. Diese Arbeit verlangt nicht nur eine Vernetzung auf verschiedenen geographischen und hierarchischen Ebenen, sondern es braucht auch neueste technische Hilfsmittel und Weiterbildung des Personals, um professionell gefälschte Dokumente feststellen zu können.
Der Flughafen Zürich verzeichnete in den Jahren 1996-2000 beim Passagieraufkommen einen Anstieg von 37%. Mit 20 Mio. abgefertigter Passagiere rangiert er an 10. Stelle innerhalb Europa. Die Grenzbeamten befassen sich mit der Ein- und Ausreisekontrolle von Passagieren, der polizeilichen Fahndung und der Umsetzung von fremdenpolizeilichen Vorschriften.
Obwohl grundsätzlich „bei der Erhebung von Abgaben an der Grenze sowie bei der Wahrnehmung der Kontroll- und Sicherheitsaufgaben ein möglichst ungehinderter Personen- und Warenverkehr zu gewährleisten“ ist (372), liegt auf der anderen Seite ein Leistungsauftrag an die Grenzwachtkorps vor, der die Arbeit der Grenzwachtbeamten folgendermaßen umschreibt: „Das GWK kontrolliert (u.a.) Personen und Waren an der Grenze und im grenznahen Raum; dabei legt es das Schwergewicht auf: die Grenzfahndung, die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, den Migrationsbereich und auf die Bekämpfung des organisierten Betäubungsmittelschmuggels und arbeitet in allen Fällen eng mit den Polizei- und Untersuchungsbehörden sowie den ausländischen Grenzkontrollorganen zusammen. […] Das Schwergewicht für die Kontrolltätigkeit (Art und Dichte) ergibt sich aus der Lagebeurteilung und den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dabei stützt sich das GWK auf die Informationen der interessierten Bundesämter und der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten, welche periodisch durch das Kommando GWK einzuholen sind. Die Kontrollen erfolgen durch gezielte Stichproben sowohl an den Grenzübergängen wie auch im Rahmen mobiler Einsätze im Grenzraum. Für die Erfüllung des Leistungsauftrages ist das GWK an die finanziellen und personellen Vorgaben der Zollverwaltung gebunden“ (Legislaturziele 2000-2003).
Diese beiden Vorgaben beschreiben den grundsätzlichen Widerspruch, mit dem westeuropäische Zielländer von Migration konfrontiert sind. Einerseits fordert die Globalisierung möglichst offene und durchlässige Grenzen für Personen, Waren und Dienstleistungen, andererseits sind nur bestimmte Personen und Güter in den westlichen Zielländern erwünscht. Die Zulassungsbedingungen für „Unerwünschte“ erfahren deshalb laufende Verschärfungen. Da für Personen aber eine eigentliche Migrationspolitik fehlt und der Migrationsdruck aus Dritt-Welt-Ländern und neu aus dem europäischen Osten eher zu- als abnimmt, wird die Selektion an die Grenzbeamten delegiert oder der Polizei und den Rechtsinstituten im Innern des Landes überlassen.
Illegale Einreisen haben beispielsweise am Grenzübergang Schaffhausen stetig zugenommen. (373) Am gleichen Standort wurden im Jahr 2000 fast 3000 Personen zurückgewiesen, die meisten aufgrund nicht erfüllter Einreisevoraussetzungen. Die Einreise ist über das ANAG, über die Vollzugsverordnung und die Verordnung über Einreise und Anmeldung für Ausländer geregelt.
Auf dem Flughafen Zürich sieht das zum Beispiel für Frauen aus Osteuropa so aus: „Zuerst müssen wir unterscheiden zwischen Personen mit und solchen ohne Bewilligung. Das sind Getarnte. Die mit Bewilligung (Tänzerinnen L), im Normalfall, wenn das Visum stimmt, das Reisedokument stimmt und auch die Arbeitsbewilligung stimmt, können wir einreisen lassen. Haben wir aber Zweifel, können wir sie zurückhalten und Abklärungen machen, beispielsweise alle Angaben nachprüfen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit den lokalen Polizeistellen. Hier gerade ein Beispiel aus Estland, Litauen, Lettland, auch Georgien. Die Personen kommen mit guten Dokumenten — die drei Staaten sind ja visumsfrei — wollen als Touristinnen für zehn Tage in die Schweiz kommen, haben 300 US$ und eine Adresse. Aufgrund von Erfahrungswerten stoppen wir die Personen. Wohin gehen die Frauen überhaupt? Wir stellen fest: Sie gehen zu ‚Toni‘. Wir klären ab, telefonieren. Gibt es den Mann überhaupt? Wo wohnt er? Was macht er? Wir warten also, bis ein ‚Abholer‘ bei uns erscheint. Dann wird die Person überprüft. Dann müssen wir feststellen, dass oftmals ‚Toni‘ im Milieu steckt oder gesteckt hat. Dann wird es kritisch werden, denn ‚Toni‘ kann für die einreisewilligen Personen nicht bürgen. Die einreisewilligen Personen geraten in Schwierigkeiten, wenn sie mit ‚Toni‘ gehen. Es kann jetzt aber sein, dass ‚Toni‘ eine andere Person schickt, die sich um die Frauen kümmert. Dann müssen wir die Frauen gehen lassen“ (Flughafenpolizei Zürich).
Stichproben auf dem Flughafen Zürich finden etwa einmal pro Woche statt. Ein Garant (Abholer) muss in der Regel einen Wohnsitznachweis, den letzten Steuerauszug und einen neuen Betreibungsauszug vorweisen, Unterlagen also, die man nicht unbedingt im Handtäschchen mit sich führt, wenn man eine Freundin am Flughafen abholen will, die aus England für zehn Tage auf Besuch kommt. Ist man aber „im Geschäft“, mutieren solche Dokumente zu Arbeitsinstrumenten, die griffbereit im Handschuhfach liegen. (374) Aber auch mit Personen, die im Besitz einer L-Bewilligung sind, kann es Probleme geben, wenn das Etablissement, auf das der Arbeitsvertrag ausgestellt ist, mittlerweile auf der schwarzen Liste steht. Dann ist die Bewilligung hinfällig und die Frauen werden zurückgewiesen.
Ein anderes Instrument, verdächtige Personen schnell auszumachen, ist das so genannte „unlogical routing“. Ein Beispiel soll zeigen, wie das funktioniert: „Wir, d.h. in Europa, stellen fest, dass die Anzahl der Chinesen, die illegal einreisen wollen, stark zunimmt. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass Chinesen über Buenos Aires – Zürich nach Kanada gelangen wollen. Oder via Pnom Penh, Kuala Lumpur, Zürich nach Sarajevo. Dorthin braucht man kein Visum. Ziel ist dann aber, über den Landweg nach Westeuropa zu migrieren. Oder über Aboudabi, Kuwait, Zürich, Belgrad usw. usw.“ (Flughafenpolizei Zürich).
Die Migranten wenden die Methode des „unlogical routing“ an, um ihre Herkunft zu verschleiern bzw. um die Grenzwächter zu verwirren und als Tourist an der Grenze durchgelassen zu werden. Mit dem routing ist oft noch eine andere Taktik verbunden: Stammt die einreisewillige Personen aus einem Land, von dem aus sie ein Visum für die Schweiz braucht, reist sie zuerst in ein Land, das von der Visumspflicht für die Einreise in die Schweiz befreit ist und besorgt sich dort einen Pass. Oder sie kaufen sich die visumsbefreiten Pässe gleich im Heimatland. Dass auch „Ostfrauen“ diese Methode der Einreise benutzen, bestätigen verschiedene Interviewpartner: „Da sind also Russinnen in einem Bus, der kommt von Prag. Die haben tschechische Pässe. Da braucht es kein Visum“ (Chef, GWK II).
Diese ganze Fahndungsmethode wird von der Grenzkontrolle mit profiling umschrieben, worunter auch das routing fällt. Ein Handzettel, der für ein schnelles profiling hilfreich sein kann, wird von der internationalen Fluggesellschaftsvereinigung (IATA) an die Fluggesellschaften abgegeben. Die Fluggesellschaften haben nämlich ein vitales Interesse daran, dass ihre Passagiere ins Bestimmungsland einreisen können, da sie sonst die Reisenden wieder zurückbefördern müssen.
4.2.6 Neueste Tendenzen: EU-Angehörige und Asylbewerberinnen als Prostituierte
Die Zahl der Prostituierten aus Ländern der EU/EFTA nimmt aktuell stetig zu. Zwar liegen keine gesamtschweizerischen Statistiken vor und es ist fraglich, ob das Prostitutionsgewerbe statistisch erfasst werden kann, da es sich bei den Meldeformularen um Selbstdeklarationen handelt und die_Gesuchstellerinnen unterschiedliche Bezeichnungen für ihre Tätigkeit verwenden. (375) Die Fachgruppe Milieu- und Sexualdelikte der Stadtpolizei Zürich (vormals Sittenpolizei) führt eine interne Statistik (Stand Juli 2004). Danach nahmen die Neuregistrierungen aus diesem Raum im Jahr 2003 rasant auf 124 Prostituierte zu. Mit 79 Neueinsteigerinnen aus der EU allein im ersten Halbjahr 2004 belegen Herkunftsländer aus diesem Raum neu einen Spitzenplatz in der statistischen Rubrik „Neue Prostituierte“. Dabei kommen über 60% der neu Registrierten aus Deutschland, der Rest nach Häufigkeit aus Spanien, Österreich, Frankreich und Italien.
Mit der ab Juni 2002 geltenden Freizügigkeit ist es Angehörigen von EU/EFTA-Staaten grundsätzlich erlaubt, zur Arbeitsaufnahme in die Schweiz zu reisen. Dazu musste allerdings bis vor kurzem die Einwilligung des Arbeitsamtes eingeholt werden, da immer noch die Regelung der Bevorzugung von Schweizer Arbeitssuchenden galt. Im Kanton Zürich beispielsweise erteilte man aber auf Anfrage den Prostitutionsmigrantinnen aus diesen Ländern eine Bewilligung als selbständige Masseuse für drei Monate, die bei Nachweis der Selbstständigkeit weiter verlängert werden konnte. Von dieser Regelung machten laut Schätzung von Hans-Peter Brandenburger vom Arbeits- und Wirtschaftsamt des Kantons Zürich im Jahr 2003 allein im Kanton Zürich (ohne die Städte Winterthur und Zürich) bis zu zehn Prostituierte pro Woche Gebrauch. (376) Diese Frauen fanden dann größtenteils Beschäftigung in einem Sex-Club, einige empfingen ihre Freier in Privatwohnungen und einige betätigten sich als Straßenprostituierte in der Stadt.
Ab Juni 2004 ist auch die Regelung der Bevorzugung von Einheimischen gestrichen worden, sodass der Gang aufs Arbeitsamt auch für selbständige Prostituierte aus EU-Ländern entfällt. In den Kantonen gilt neu eine einfache Meldepflicht beim Migrationsamt. Es versteht sich von selbst, dass die vorschriftsgemäß gemeldeten Prostitutionsmigrantinnen als selbständig Erwerbende steuer- und sozialversicherungsabgabepflichtig werden. (377) Für die neuen EU-Länder gilt allerdings die Freizügigkeit erst nach Übergangsfristen.
Die Migrationsämter unterscheiden in den geltenden bilateralen Verträgen mit der EU/EFTA nicht nach der Art der Tätigkeit. (378) Mithin kann also auch ein Gesuch um Erteilung einer Jahresbewilligung als selbständige Prostituierte aus diesem Raum und später ein Niederlassungsgesuch eingereicht werden. Obwohl für die neuen EU-Mitglieder-Kontingente immer noch wirksam sind (Übergangsregelung), bedeutet dies für Angehörige der bisherigen EU-Mitgliedländer eine Praxisänderung der administrativen Behörden in der Auffassung von Prostitution, nämlich a) als Dienstleistungserbringerin, b) auf Auftragsbasis für das Segment Begleitservice und c) bei Stellenantritt in einem Sex-Club als „angestellte“ selbständig Erwerbende, ‚Die administrative Praxis’ (379) stützt sich auf die Rechtssprechung des Bundesgerichts (380) und einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofes vom 18. Mai 1982 (381)
Wie im dem Kapitel „Ehefrauen“ vermerkt (Kap. 4.2.4.2), steigt die Kurve von Neuanmeldungen als Prostituierte der mit einem Schweizer oder Niedergelassenen verheirateten Ausländerinnen mit B-Bewilligung stetig. Diese bilden die zweitgrößte Gruppe der Neuregistrierungen und stellen einen wachsenden Anteil der Sex-Gewerbe-Treibenden dar. Dabei stammte im Jahr 2003 der größte Teil von den 182 Frauen, die sich frisch verheiratet als Prostituierte in Zürich registrieren ließen, aus Brasilien (51) und Thailand (29), neben beträchtlichen Anteilen aus der Dominikanischen Republik, sowie Kamerun, Russland und Tschechien. Vermehrt werden Asylbewerberinnen vor allem aus Nigeria und Kamerun erfasst, die im Graubereich der gesetzlichen Grenzen der Prostitution nachgehen. (382)
Gemessen an den polizeilichen Festnahmen von Personen, die sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens in Zürich prostituierten (2003: 192 Frauen, 28 Männer), muss aufgrund der beschränkten Ressourcen und Instrumenten der Polizei von einer erheblichen Dunkelziffer der im Prostitutionsgewerbe aktiven Ausländer und Ausländerinnen ausgegangen werden.
4.2.7 Richtungsweisender Entscheid des Europäischen Gerichtshofs
In Sachen Rezguia Adoui und Dominique Cournaille gegen den Belgischen Staat wird der Fall von zwei französischen Staatsangehörigen verhandelt, denen die Aufenthaltserlaubnis verweigert wurde, weil sie der Prostitution nachgingen. In Belgien ist Prostitution nicht verboten. Der Gerichtshof war der Meinung, dass die Verweigerung in diesem Falle nicht zulässig sei. (383) In der Begründung heißt es: „In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Rückgriff einer nationalen Stelle auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraussetzt, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Auch wenn das Gemeinschaftsrecht der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beurteilung von Verhaltensweisen, die als im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung angesehen werden können, keine einheitliche Werteskala vorschreibt, so ist doch festzustellen, dass ein Verhalten nicht als hinreichend schwerwiegend betrachtet werden kann, um im Gebiet eines Mitgliedstaats Beschränkungen der Einreise oder des Aufenthalts eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats zu rechtfertigen, wenn der erstgenannte Staat gegenüber dem gleichen Verhalten, das von der eigenen Staatszugehörigkeit ausgeht, keine Zwangsmassnahmen oder andere tatsächliche und effektive Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Verhaltens ergreift“ (EuGH zit. nach BfA 2002: Rn.8, S. 9). (384)
4.2.8 Das geplante neue Ausländergesetz
Das aktuelle Gesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern (ANAG) aus dem Jahr 1931 regelt die Ausländerpolitik nur mangelhaft. Der Entwurf zu einem neuen Ausländergesetz (AuG) will die Migrationspolitik des Bundesrates vervollständigen und mit den Freizügigkeitsabkommen mit der EU, dem Einbürgerungsrecht, dem Asylgesetz und dem internationalen Migrationsdialog eine kohärente Politik ermöglichen, die den Bedürfnissen der Schweiz und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner entspricht. Es regelt in erster Linie die Einreise und den Aufenthalt von AusländerInnen aus Nicht-EU/EFTA-Ländern. Dabei sollen in beschränktem Ausmaß lediglich gut qualifizierte oder spezialisierte Arbeitskräfte zugelassen, ein Anreizsystem zur Integration geschaffen und zum Schutz der öffentlichen Ordnung besondere Maßnahmen gegen Kriminalität, Missbrauch des Ausländerrechts sowie gegen das Schlepperwesen, die Schwarzarbeit und die Scheinehen ergriffen werden. L-Bewilligungen für Tänzerinnen sind nicht mehr vorgesehen. (385)
4.2.9 Zusammenfassung zur Migrationssituation in der Schweiz
Im Zuge einer weiteren Liberalisierungs-Phase der Märkte setzt sich eine neue globale Geographie von Zentren und Marginalität durch, die den Arbeitskräftemarkt mit durchlässigen Grenzen sowohl in einen formellen und einen informellen Teil als auch in „Schwarzarbeit“ und legale Arbeit gliedert. Dabei werden Sozialbeziehungen zunehmend der Marktförmigkeit angepasst. Verstärkt durch kriegerische Auseinandersetzungen und Leib und Leben bedrohende Wettbewerbsmethoden, die diesen Prozess der „Globalisierung“ begleiten, wächst der Migrationsdruck Richtung lokale Zentren und Richtung Zentren von Weltregionen. Dies zeigt sich in den aktuellen Migrationsbewegungen von Süd nach Nord und seit der Wende in Osteuropa von Ost nach West. Zu den neusten Migrationswellen aufgrund der Attraktivität der lukrativsten Märkte innerhalb Westeuropas und der EU liegen noch keine Statistiken vor.
Aufgrund nationaler Landesgrenzen ist es möglich, über gesetzliche Bestimmungen Einwanderungsschranken zu errichten und Kriterien legaler Einwanderung festzusetzen. Dabei gelten internationale Konventionen, wie etwa die Genfer Flüchtlingskonvention, europäische Abkommen über Freizügigkeit von Arbeitskräften, (386) Regelungen über den Aufenthalt von Touristen, Auszubildende oder Familiennachzug. Die Interessen der Wirtschaft als konjunkturabhängige Nachfrage nach qualifizierten und unqualifizierten Arbeitskräften spielen für Verhandlungen über Zulassung und Aufenthaltsrechte von Migranten eine wichtige Rolle. Wer außerhalb gesetzlicher Schranken einwandert oder sich erwerbsmäßig betätigt, begibt sich in den illegalen Bereich von Aufenthalt oder/und Schwarzarbeit, ein aktuelles Problem, mit dem alle Staaten mit einem Wohlstandsgefälle zu Drittstaaten konfrontiert sind.
Frauen sind aufgrund ihrer primären Versorgungsaufgaben für die ältere und nachfolgende Generation stärker von Marginalisierung und Migrationsdruck betroffen und eignen sich besonders für die Anwerbung in informelle Arbeitsverhältnisse in den Zentren der Nachfrage. Zu diesem Bereich gehört auch die Erwerbstätigkeit im Gebiet der Prostitution. Die Aussicht auf staatlich unkontrollierte Gewinne macht das Geschäft mit der internationalen Prostitution für lokale Netzwerke mit internationalen Verbindungen, die im Graubereich der Legalität agieren, attraktiv.
Die Binnenmigration von europäischen Prostituierten aufgrund der europäischen Personenfreizügigkeit ist ein neues Phänomen und zeigt ein Gefälle in der Attraktivität von Sexmärkten zwischen europäischen Ländern auf. Ob damit ein innereuropäisches Gefälle der Kaufkraft von Freiern, ein länderspezifisches Freierverhalten, ein Gefälle des Konkurrenzdrucks unter den Prostituierten, ein Wohlstandsgefälle oder die Feminisierung der Armut bzw. gender-spezifische Segmentierung des formalen Arbeitsmarktes angesprochen ist, kann hier nicht abschliessend beantwortet werden.
Ausländische Frauen aus Nicht-EU-Staaten, die auf dem schweizerischen Sexmarkt tätig sind, sehen sich mit illegalem Aufenthalt und/oder rechtswidriger Erwerbstätigkeit konfrontiert. Der Weg aus der Illegalität führt über eine reguläre Aufenthaltsbewilligung (z.B. durch Heirat) oder über den Abbruch des Aufenthalts in der Schweiz.
Prostituierte beugen sich dem finanziellen Druck von Seiten der AnwerberInnen und „ArbeitgeberInnen“ und schließen eine vorzeitige Abreise oder einen Ausstieg sowohl aus der abhängigen wie auch aus der legalisierten Prostitution auf Eigeninitiative im Normalfall aus. Mit der konsequenten Anwendung von geltendem Zivilrecht (Vertrags- und Arbeitsrecht) könnte diese Eigeninitiative bedeutend besser unterstützt werden als mit strafrechtlichen Normen.
Die Erlangung der B-Bewilligung durch Heirat dient einem Teil der ehemals abhängigen Prostituierten, sich in milieuferne Lebens- und Arbeitszusammenhänge zu integrieren. Anderen dient sie zur Legalisierung und Weiterführung bzw. zu einem Ausbau der bisherigen Tätigkeit und höherem Verdienst. Auch hier bietet sich den Behörden ein Interventionspotenzial an.
Der Status des illegalen Aufenthalts und der illegalen Erwerbstätigkeit präsentiert sich zwiespältig: Einerseits belastet er die Frauen, die zu Täterinnen mutieren, was ihre subjektiv wahrgenommene Abhängigkeit vom Geschäft mit der internationalen Prostitution verstärkt und dieses perpetuiert. Die Identifizierung mit dem Milieu und seinen Akteuren wird dadurch gefördert. Andererseits ermöglicht er migrationswillige Ausländerinnen aus Nicht-EU-Staaten aufgrund des Gefälles der finanziellen und Rechtssicherheitsansprüche im Vergleich zu einheimischen Prostituierten, sich am Schweizer Sexmarkt als Prostituierte zu beteiligen. Die Durchsetzbarkeit von lukrativen Ausbeutungsverhältnissen im Sex-Bereich ist maßgeblich an die Armuts- und Notsituationen von Ausländerinnen gebunden.
Die „Opfer-Täter“-Logik, mit der sich die Frauen in der Schweiz konfrontiert sehen, deckt sich nicht mit der Lebenssituation der meisten Migrantinnen. Der Lebensentwurf als Ernährerinnen von Familien, als risikofreudige Geschäftsfrauen oder an Ausbildung interessierten Berufsfrauen wird oft drastisch gebrochen und die Ressourcen einer großen Anzahl junger Frauen zerstört.
Die Signale der Strafverfolgungsbehörden bezüglich illegaler Prostitution sind unscharf und zweideutig, insofern sie sich zwischen laisser faire, Toleranz, Ohnmacht oder „Durchgreifen“ und Ausschaffung bewegen. Die Frauen interpretieren dies als gesetzlichen Graubereich. Das Verhältnis zu staatlichen Einrichtungen, insbesondere zur Polizei, wird dadurch von Ablehnung und Misstrauen geprägt.
Die Tätigkeit der NRO bietet Ausländerinnen in schwierigen Abhängigkeitsverhältnissen eine Anlaufstelle, wo Probleme ohne Zwänge besprochen und Wege aus Notsituationen gefunden werden können.
Die Motivation von Migrantinnen aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten, sich auf westlichen Sexmärkten zu prostituieren, entspringt der Hoffnung, den Geldmangel und die Perspektivelosigkeit zuhause zu überwinden. Konkrete Angebote von AnwerberInnen tragen wesentlich zur Realisierung des Migrationsentscheids bei. Bei diesen Frauen kann Prostitution als selbstbestimmter Ausdruck ihrer Sexualität ausgeschlossen werden.
Angesichts des diversifizierten, segmentierten und professionell organisierten Sexmarktes in westlichen Ländern sind außerhalb der Strukturen des Sexmarktes tätige, selbständig erwerbende Prostituierten nur noch in Ausnahmefällen zeitgemäß. Prostitutionsmigrantinnen ist der Zugang zu den lukrativen westeuropäischen Sexmärkten ohne die Intervention von entsprechend qualifizierten Netzwerken oder Verbindungen zu Verwandten und Bekannten oder eigenen entsprechenden Erfahrungen im Normalfall versperrt.
Eine Möglichkeit zur Einsicht in die Tragweite des Entscheides von Angehörigen aus Nicht-EU-Staaten, sich mithilfe von Netzwerken in westeuropäischen Ländern zu prostituieren, bleibt den Prostitutionsmigrantinnen vom individuellen und auch vom gesellschaftlichen Standpunkt aus verwehrt, da sie, als illegale Prostituierte aufgegriffen, im Normalfall sofort ausgeschafft werden und von einem allfälligen Gerichtsverfahren z.B. gegen Zuhälter und Clubbesitzer ausgeschlossen sind. Wenn sie hingegen einen Prozess als Anklägerin wagen, zeigen sich die beschränkten Interventionsmöglichkeiten der Schweizer Strafverfolgungsbehörden, infolge mangelnder internationaler Gesetzesharmonisierung, mangelnder internationaler Kooperation und der liberalen einheimischen Spruchpraxis zum Schutze der Frauen bzw. zur Bestrafung von möglichen Tätern. Außerdem übersteigt der Anspruch auf Persönlichkeitsschutz von Zeuginnen im Ausland die Mittel der Schweizer Behörden. Der Sinn der Strafen für Prostitutionsmigrantinnen ist zweifelhaft, da die ausgewiesenen Frauen sofort durch neue ersetzt werden, was der erwünschten schnellen Fluktuation im Geschäft der Prostitutionsmigration entgegenkommt und dieses perpetuiert.
Politische Instanzen sind herausgefordert, nach liberalen, geschäfts- und eigentumsfreiheitlichen Grundsätzen Stellung zu beziehen im Spannungsfeld zwischen der Einhaltung internationaler Abkommen zur Bekämpfung von sexuell ausgerichtetem Frauen- und Kinderhandel, der Diskriminierung und Entwürdigung von Frauen und der Akzeptierung der internationalen Sexindustrie.
Fussnoten
332 Foundation of Women’s Forum/Stiftelsen Kvinnoforum, Stockholm, 1998, S. 1, zit. Nach Juchler, J. (2001); Hanewinckel, Christel (1999): Frauenhandel als Verstoß gegen die Menschenrechte.
333 In der Schweiz ist Prostitution auf selbständiger Basis auf der Grundlage der Gewerbefreiheit nicht verboten. Die Revision des Sexualstrafrechts (1992) strich den Straftatbestand der Zuhälterei ersatzlos. Strafbar ist die Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB) und der Menschenhandel (Art. 196 StGB). Mit Art 199 StGB erlassen Gemeinden und Kantone gewerbe- und gesundheitspolizeiliche Vorschriften (z.B. „Strichpläne“) sowie Verordnungen zwecks Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen.
334 Expertengespräche mit Grenzschutzbeauftragten des Land- und Luftweges.
335 Vgl. dazu die aktuellen Verhandlungen zu den Schengener Abkommen (Personenfreizügigkeit).
336 Bertschi, Susanne (2003): Sexarbeit im Straf- und Ausländerinnenrecht.
337 ANAG: Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. März 1931. SR 142.20.
338 BVO: Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) vom 6. Oktober 1986. SR 823.21, AS 1986 1791.
339 1. Kreis: EU- und EFTA-Länder genießen erste Priorität für die Rekrutierung von Arbeitskräften. Zum 2. Kreis gehören u.a. die USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Japan. Aus diesen Gebieten findet eine begrenzte Rekrutierung statt. Zum 3. Kreis gehören nebst Asien, Afrika und Lateinamerika u.a. auch Mittel- und Osteuropa. Hier können nur SpezialistInnen rekrutiert werden.
340 Anfang Juni 1998 gab der Bundesrat die Ausländerregelung 98/99 in die Vernehmlassung. Danach sollen aus Nicht-EU/EFTA-Ländern nur noch qualifizierte Arbeitskräfte in besonderen Fällen zugelassen werden. L-Bewilligungen für Tänzerinnen sind darin explizit nicht vorgesehen.
341 Imes, seit 1.1.2005 Bundesamt für Migration, Bern; Bertschi, Susanne (2003): Sexarbeit im Straf- und Ausländerinnenrecht.
342 An dieser Stelle seien die Begriffe Schwarzarbeit und informeller Sektor auseinander gehalten. Während Schwarzarbeit grundsätzlich zum formalen Bereich von Arbeitsorganisation gehört und sich von üblichen Arbeitsverhältnissen einzig durch die fehlende Arbeitserlaubnis unterscheidet — meist aufgrund des Aufenthaltsstatus für Ausländer — bezieht sich der informelle Bereich auf solche Tätigkeiten, die nicht über einen regulären Arbeitsplatz, berufliche Abschlüsse etc. definiert sind. Beide Bereiche können sich überschneiden. Zu den Schwerpunkten der Schwarzarbeit in der Schweiz gehören traditionellerweise Sektoren, die oft saisonal gebundene und auf Körperarbeit spezialisierte Arbeitskräfte benötigen, wie beispielsweise die Landwirtschaft, das Bau- oder Gastgewerbe. Im Zuge der konjunkturell schwankenden Nachfrage nach Arbeitskräften in der E-Technologie sind aber durchaus auch andere, hochqualifizierte, geistige „Schwarzarbeiter“ denkbar. Obwohl illegal beschäftigt, genießen diese Arbeitsmigranten einen minimalen Rechtsschutz. Zum informellen Sektor gehören vor allem Tätigkeiten im Bereich von Reproduktionsaufgaben wie etwa die Betreuung von Kindern, Hausarbeit, Putzarbeit, Serviceleistungen im Bereich des leiblichen Wohls sowie die Pflege von Kranken und Betagten. Diese Arbeitsverhältnisse sind oft ungeschützt als Schwarzarbeit organisiert, wobei auch hier ein gewisser Rechtsschutz gewährleistet, wenn auch schwieriger einzufordern ist (Garbade, Jean-Pierre, 2000).
343 Gespräch mit Her Nyffenegger, (vorm. Imes), Bundesamt für Migration (B[M) Bern vom 15. Juli 2004.
344 Hürlimann, Brigitte (2004), Diss. Fribourg.
345 Stadtpolizei Zürich, interne Statistik. Stand 1997.
346 Corriere del Ticino vom 26.5.2000.
347 La Regione vom 20.5.2000.
348 Die Frau zahlte im Jahr 12’000 Franken Steuern. Corriere del Ticino vom 7.4.2000.
349 Vgl. Rahel Zschokke und Josef Estermann: Menschenhandel und Frauenhandel, in: Estermann, Josef (2002): Organisierte Kriminalität, S. 134-153.
350 Christlich-soziale Volkspartei (CVP), Kanton Schwyz.
351 Bundesamt für Ausländer (BfA), später immigration, integration, emigration suisse (imes), ab 1.1.2005 Bundesamt für Migration (BfM).
352 Die Interviews führte die Autorin in der deutschen Schweiz mit Polizeistellen, lokalen Vertreterinnen des Barfüsserprojekts der Aids-Hilfe Schweiz, Politikerinnen, medizinischen, juristischen und fiskalischen Experten und Verwaltungsbeamten hauptsächlich im Jahr 2000 durch. Im gleichen Zeitraum befragte Dr. Miryam Eser-Davolio Personen in der italienischen und französischen Schweiz. Für Informationen zu der veränderten rechtlichen Lage nach Juni 2002 bzw. 2004 fragte die Autorin punktuell bei den zuständigen Beamten per Telefon nach (BfM, Bern, Wirtschafts- und Arbeitsamt, Zürich, Stadtpolizei Zürich, Migrationsamt Zürich).
353 Föllmi, Franzi (1997): Files in the Spiders Web – or Spiderwomen?
354 Vgl. Freierbefragung, Kap. 4.5.
355 Corriere del Ticino vom 7.4.2000.
356 L’Hebdo vom 25.2.1998.
357 Asco ist die Vereinigung Schweizer Cabaret-Betreiber.
358 Quelle: BfA/imes, ZAR, Stand 2003
359 Quelle: Bundesamt für Migration, Stand 2000.
360 Leider ist es nicht möglich, kantonale Daten (Gespräch mit Herrn Hug, Statistischer Dienst des kantonalen Amtes für Wirtschaft und Arbeit, Zürich, vom 20. Juli 2004) oder nationale Daten (Gespräch mit Herrn Nyffenegger, Bundesamt für Migration, Bern) der Einwanderung von westeuropäischen Prostituierten zu erhalten (Selbstdeklaration, Persönlichkeitsschutz). Interne Polizeidaten (Stadtpolizei Zürich) weisen aber einen beträchtlichen Anstieg von westeuropäischen Prostituierten in der Schweiz aus.
361 Von solchen Einzelfällen berichtet die Stadtpolizei Zürich, Stand 2004.
362 Dies wird unter anderem dadurch gestützt, dass sich in den Jahren 1997 und 1998 mehr als 60% der Verzeigungen bezüglich Menschenhandel und Förderung der Prostitution auf den Kanton Zürich konzentrierten.
363 Ränge 1 bis 3: Ungarn, Polen, Russland.
364 Brasilien, Dominikanische Republik, Kolumbien.
365 Thailand, China, Philippinen.
366 Kamerun u.a.
367 Österreich, Deutschland, Frankreich.
368 Protokoll des erstinstanzlichen Gerichtsurteils in Lugano vom 24.1.2000.
369 Corriere del Ticino vom 11.3.2000.
370 Chef und Beamte des Grenzwachtkorps Schaffhausen (GWK II) und Flughafenpolizei Zürich-Kloten.
371 Die Schweizer Grenzen werden von vier Grenzwachtkorps kontrolliert: Basel (GWK ]) umfasst die Kantone Basel Stadt, Basel Land, Jura, Teile Bern; Schaffhausen (GWK I) überwacht die ganze Nordost-Schweiz und Graubünden; Lugano (GWK III) kontrolliert die Grenzen im Tessin; Genf (GWK IV) ist für den Kanton Genf, das Waadtland und das Wallis zuständig.
372 Aus: Legislaturziele 2000-2003 des Eidg. Finanzdepartements, dem die Oberzolldirektion bzw. die Grenzpolizei unterstellt ist.
373 Nach D. Schneider vom Lagezentrum GWK II wurden im Jahr 1998 58 illegale Einreisen festgestellt, 1999 62 und im Jahr 2000 bereits über 100 (Stand 2000).
374 Einreisewillige Prostitutionsmigrantinnen sind beim Grenzübertritt oft von professionellen Reisebegleitern instruiert. Zu den Reisevorbereitungen gehören auch die Wahl des routing, die Wahl des Transportmittels und der Empfang im Zielland.
375 Persönliche Mitteilung von Herrn Tuor, Statistische Abteilung des Bundesamtes für Migration, Bern, am 13. Juli 2004. Die Bezeichnung „Masseuse“ ist mehrdeutig, kann es sich doch um Sportmassage, medizinische Massage und dergleichen handeln. Auch die Bezeichnung selbständigerwerbende Geschäftsfrau „Wellness-Bereich“ lässt nur in den wenigsten Fällen auf Prostituierte schliessen.
376 Persönliche Mitteilung von Hans-Peter Brandenburger, Arbeits- und Wirtschaftsamt des Kantons Zürich, Zürich, am 14. Juli 2004.
377 Persönliche Mitteilung von Herrn Nyffenegger, Bundesamt für Migration, Bern, am 15. Juli 2004.
378 Persönliche Mitteilung von Herrn Urs Schwarz, Migrationsamt des Kantons Zürich, Zürich, am 15. Juli 2004.
379 Persönliche Mitteilung von Herrn Nyffenegger (BfM, Bern) am 15. Juli 2004.
380 BGE 128 IV 17.
381 EuGH, vRS 115 und 116/81. Links über www.bfm.admin.ch.
382 Zit. nach Walter Vogler, Tagblatt der Stadt Zürich vom 14. Juli 2004, Aussagen aus der Stadtpolizei Zürich.
383 Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Richtlinie 64/221/EWG. Zit. nach BfA, Bern, Oktober 2002.
384 Wie allerdings quantitativ ins Gewicht fallende Ansprüche an Leistungen aus den Solidarnetzen von Arbeitslosenkassen (Regionale Arbeitsvermittlungsstellen als „Zuhälter“?, Prostitutionsmarkt belebende Maßnahmen?), Krankenkassen (hohes „Berufsrisiko“) oder Sozialhilfebei einem 50%-Anteil von WählerInnen, die nicht in den Genuss von „Leistungen“ von Prostituierten kommen, demokratisch legitimiert werden können, ist ein (noch) ungelöstes Problem, das flankierende Maßnahmen zumindest diskutabel erscheinen lässt.
385 Eidg. Justiz- und Polizeidepartement und Bundesamt für Migration, Juni 2004, www.bfm.admin.ch.
386 Verhandlungen zu den Schengener Abkommen. Vgl. auch das 3- bzw. 2-Kreise-Modell, die fortschreitende Verschärfung des Asylrechts und die neuen Freizügigkeitsregelungen für Angehörige der osterweiterten EU-Staaten.